Neuer Demonstrator zeigt industrielle Modulintegration für die flexible und modulare Produktionsumgebung der Zukunft

  • Automatisierte Konformitätsprüfung
  • Werkerassistenz
  • Intelligente Steckverbinder
Die modulare und flexible Produktion ist eine Zukunftsvision. Ein Modultausch im industriellen Umfeld kostet viel Zeit und ist aufwändig, insbesondere in Bezug auf die CE-Zertifizierung. „Unsere Umsetzung des Modultausches ist auf die Anforderungen aus der Industrie gerichtet“, so Prof. Martin Ruskowski, Vorstandsvorsitzender der SmartFactoryKL. „Mit unseren Partnerunternehmen haben wir einen Prozess entwickelt, der die Integration und Zertifizierung eines neuen Modules in wenigen Minuten erlaubt.“ Ermöglicht wird dies durch eine intelligente Werkerassistenz, eine neue Generation von Steckerinterfaces und eine automatisierte Konformitätsprüfung. „Die Integration eines neuen Produktionsmoduls in ein bestehendes System führt zu komplexen sicherheitsrelevanten Wechselwirkungen zwischen Modul und Anlage“, erklärt Alexander David, Leiter der AG Connect & Control. „Unser System ist in der Lage, die modulare Safety-Konformität unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen digital, dynamisch und automatisiert zu zertifizieren.“ Dafür besitzen die Produktionsmodule ein Teilmodell der Verwaltungsschale in der die relevanten Safety-Parameter definiert sind. Auf dieser Grundlage können dynamisch einzelne Module und deren Schnittstellen freigegeben werden, sodass nach einer erfolgreichen Konformitätsprüfung eine digitale Zertifizierung erstellt und der Maschinenverbund freigegeben wird.
Der Plug & Produce Prozess

Die neue modulare und herstellerübergreifende Produktionsanlage der SmartFactoryKL ist fähigkeitsbasiert. Fehlt eine Fähigkeit, die aber für die Herstellung eines bestellten Produktes notwendig ist, wird automatisch eine Rekonfiguration der Anlage angestoßen. Der Werker / die Werkerin wird durch ein Assistenzsystem auf das fehlende Modul hingewiesen und optisch angeleitet, wie es physisch mit dem Demonstrator zu verbinden ist. Zum Einsatz kommt dabei ein neuer Steckverbinder, der speziell für die Anforderung der modularen und autonomen Produktion entwickelt wurde. Damit Module am richtigen Ort in die Infrastruktur integriert und das Modul zum richtigen Zeitpunkt mit seinen Lebensadern verbunden ist, werden intelligente Schnittstellen benötigt. Die Entriegelung findet autonom statt und ist abhängig vom Zustand der Produktionsanlage. So ist sichergestellt, dass der Benutzer durch falsches Ziehen der Steckverbinder nicht gefährdet wird und auch die Verfügbarkeit der Produktionsanlage dabei ein Optimum erreicht. Beides ist nur möglich, wenn der Steckverbinder mit Sensorik, Aktorik und dezentraler Intelligenz ausgestattet ist. Sein aktiver digitaler Zwilling erlaubt darüber hinaus das Management der gesamten Infrastruktur. Der klassische Steckverbinder wird so in eine intelligente Modulschnittstelle transformiert.
Da es sich bei dem intelligenten Steckverbinder um eine Schnittstelle der Produktionsinfrastruktur handelt, ist eine begleitende Standardisierung für die Kompatibilität unterschiedlichster Module in der Infrastruktur erfolgsentscheidend. Daher beschäftigt sich nicht nur eine Arbeitsgruppe der SmartFactoryKL, sondern auch die Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE) in einem Normungskreis mit diesen Zukunftsschnittstellen.

Ist die physische Kopplung erfolgt, beginnt die Konformitätsprüfung in fünf Schritten:

1Discovery-Phase
Im ersten Schritt wird geprüft, ob die Kommunikation zwischen Modul und der Produktionsanlage aufgebaut werden kann.

2Validierungs-Phase:
Um zu überprüfen, ob sich das Modul an der richtigen Position befindet, erfolgt eine Nachbarschaftserkennung. Für die Validierung tauschen die benachbarten Module durch ihre Verwaltungsschalen Modul-ID und Safety-Parameter aus. 

3Plausibilitäts-Check:
Bei der Risikoanalyse wird anhand eines Entscheidungsbaums zunächst geprüft, ob das Modul freigegeben werden kann. Die Entscheidungsbäume definiert der Hersteller, sie sind in den Verwaltungsschalen gespeichert und bilden alle vorhersehbaren Sicherheitszustände anhand vordefinierter Parameterräume ab. Das könnte bspw. die exakte Positionierung des  Moduls am Transportband sein. In diesem Falle könnte der korrekte Abstand zwischen den beiden Einheiten geprüft werden, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen. Die Verzweigungen des Entscheidungsbaums enden in sogenannten „Blättern“, die den Risiken der jeweiligen Parameter entsprechen.

4Digitale Konformitätsbewertung:        
Hier wird virtuell überprüft, ob alle Teile CE-konform sind, denn nur in diesem Falle kann überhaupt eine Freigabe erfolgen.

5Automatische Freigabe des „neuen“ Maschinenverbundes.

Sobald die Freigabe erfolgt, wird die Fähigkeit des neuen Moduls für das System freigeschaltet. Das System erkennt, das nun alle notwendigen Fähigkeiten für die Produktion zur Verfügung stehen und beginnt mit der Fertigung.

Transparenz für den Werker

Der gesamte Prozess der Konformitätsprüfung findet automatisiert, aber transparent statt. Der Werker / die Werkerin bekommt jeden einzelnen Schritt verständlich auf einem Tablet visualisiert. Damit ist der gesamte Prozess nachvollziehbar. Im Fehlerfall ermöglicht die Transparenz, eine mögliche Ursache direkt nachzuvollziehen und den richtigen Lösungsweg zu finden.

Production Level 4

Die SmartFactoryKL formulierte ein Update von Industrie 4.0 und nannte es Production Level 4. Ein Kernelement beschreibt Vorstandsmitglied Andreas Huhmann so: „Ein erklärtes Ziel ist, dass unsere Produktionssysteme flexibler werden und dabei robust und hochverfügbar bleiben. Das ist durch autonome Prozesse zu erreichen. Die weitgehende Autonomie in der Produktion, in der der Mensch seine spezifischen Kompetenzen einsetzt und durch intelligente Prozesse entlastet wird, bezeichnen wir in der SmartFactoryKL als Production Level 4, kurz PL4. Der neue Demonstrators ist in diesem Sinne umgesetzt und stellt einen ersten technischen Schritt dar. Darin nutzen wir die Erfahrungen unserer weltweit ersten Industrie 4.0 Produktionsanlage, die ebenfalls auf der Hannover Messe 2020 in Teilen zu sehen ist.

Am beschriebenen Use-Case wirkten folgende Mitglieder mit: Empolis, Harting, MiniTec Smart Solutions und TÜV SÜD.

Das Szenario in Kurzform

Die SmartFactoryKL ist eine herstellerunabhängige Forschungsplattform. Entsprechend wurde der neue Demonstrator konzipiert und aufgebaut. Der Use-Case selbst ist einfach: ein Kunde bestellt einen individuell konfigurierbaren USB-Noppenstein. Er kann zum einen die Optik wählen (Farbe und Aufbau der Noppensteine), aber auch die auf den USB „getankten“ Daten. Möchte er die Fotos der Qualitätskontrolle auf seinem USB-Noppenstein gespeichert bekommen, muss der Demonstrator auf ein besonderes Qualitätsmodul zurückgreifen, denn nur dieses verfügt über die notwendigen technischen Fähigkeiten. Ist das Modul nicht bereits in den Produktionsprozess integriert, stellt das System dies fest und stößt den Modultausch an. Diesen Hinweis bekommt ein Werker / eine Werkerin auf das Tablett. Nun muss er / sie das Modul physisch in den Produktionsprozess des Demonstrators integrieren.

LinksProduction Level 4 Logo als Aufsatz für einen Noppenstein. 
Rechts: Beispiel für einen Noppenstein.

Der Stand befindet sich in Halle 8, D18.

Insgesamt haben sich 13 Mitgliedsunternehmen am Bau des neuen Demonstrators beteiligt. Hier einige Gründe für die aktive Mitarbeit in der SmartFactoryKL:

Dr. Stefan Wess, CEO, Empolis Information Management GmbH
„Die Arbeiten und Forschungsergebnisse aus Kaiserslautern verbreiten sich seit 2011 unter dem Schlagwort Industrie 4.0, mittlerweile hat sich der Begriff international etabliert. Mit dem neuen Demonstrator, der menschliche und künstliche Intelligenz vereint, läuten wir gemeinsam das nächste Stadium Production Level 4 ein.“

Dr. Marius Orfgen, Geschäftsführer, MiniTec Smart Solutions
„Die Demonstratoren haben uns in der Vergangenheit wichtige Impulse für unsere eigenen Entwicklungen geliefert. Gerade im Umgang mit neuen Protokollen oder Geräten können wir hier in Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedern erproben, was in Zukunft von unseren Kunden gefordert wird.“

Klaus Stark, Leiter Innovationsmanagement, Pilz GmbH
„Das neue Konzept der Technologie-Initiative SF hat uns überzeugt. Das Leitbild 2025, die Forschungsprojekte, die Technologieausrichtung, die neu aufgestellten Arbeitskreise und nicht zuletzt der Aufbau eines Europäischen Verbundes, sind für uns Herausforderungen, an denen wir – wie auch in den letzten Jahren – aktiv mitarbeiten und partizipieren wollen.“

Ralf Bucksch, Technical Executive Watson IoT Europe / IBM Sales & Distribution, Software Sale, IBM
„Im Rahmen dieser Technologie-Initiative können digitale Industriekonzepte von heute und der Zukunft gemeinschaftlich in einem geschützten Raum diskutiert und in die Praxis umgesetzt werden. Auf neutralem Boden erarbeiten wir gemeinsam mit allen Kooperationspartnern Lösungen für die Zukunft, ohne dass vertriebliche Umsatzziele und das am Markt übliche und notwendige Konkurrenzdenken Vorrang hat.“

Dr. Markus Berg, Manager R&D Production, proALPHA
„Der Demonstrator zeigt, wie Industrie 4.0 und Digitalisierung ganz konkret umgesetzt werden können. Gemeinsam mit der SmartFactoryKL machen wir Digitalisierung dort für die Besucher erlebbar. Und genau darum geht es uns: Wir wollen nicht nur über Digitalisierung sprechen. Wir wollen sie greifbar machen. Und der Demonstrator ist eine Möglichkeit dafür.“

Dr. Cesim Demir, CTO Manufacturer and Automotive Solutions, Huawei
„Huawei sieht im Bereich der vernetzten digitalen Fabriken bzw. Smart Factories Potentiale, die neuen Technologien mit Partnern zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Die SmartFactoryKL mit dem zugehörigen Netzwerk von rund 50 Akteuren aus Industrie und Wissenschaft ist deshalb ein strategischer Partner.“

 

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