Production Level 4-Ökosystem
2023

Die datenraumbasierte Produktion wächst

Auf Basis des CSS-Models (Capabilites, Skills, Services) der Plattform Industrie 4.0, an dem viele Kolleg:innen der SF-KL mitgewirkt haben, wird die PL4-Demonstratorlandschaft erweitert.

  • Integration eines Produktionsmoduls der Firma PILZ bei der ARENA2023 in Stuttgart zur Produktion eines gelben Führerhauses.
  • Entwicklung und Vorstellung eines KI-unterstützten Safety-Use-Cases.
  • Aufwertung eines Produktionsmoduls (vormals modulares Modul) der Produktionsinsel_KUBA zu einer eigenen Produktionsinsel_SYLT.
  • Ein 5G-gesteuerter AGV bringt selbstständig Bauteile zur Produktionsinsel_MILOS.
  • Die Produktionsinsel_JAVA wird so erweitert, dass auf ihr mehrere Produkte gefertigt werden können, wobei dazu Module benutzt werden, die die gleichen Services anbieten. Gefertigt wird weiterhin der USB-Stick in Noppensteinform, sowie die Zugmaschine des Modell-LKW. Gemeinsam genutzt werden bspw. Lagerkapazitäten inkl. Ein- und Ausschleusung, Qualitätssicherungsservices oder Montageskills.
2022

Skillbasierte Produktion in Kaiserslautern

Im April gab die SmartFactoryKL in einer Pressemitteilung bekannt, dass die erste skillbasierte Anwendung in Betrieb genommen wurde. Dieser technologische Schritt kann als Gamechanger gesehen werden.Die im Datenraum Gaia-X angemeldeten Services (Maschinen- oder Softwareskills) können sämtlich Teil eines Produktionsnetzwerkes werden. Dadurch erhöht sich die Flexibilität der Produktion, weil die dynamischen Lieferketten alle Optionen bieten. Eine weitere Grundforderungen von Industrie 4.0 ist Interoperabilität, die durch die Kapselung der Services ermöglicht wird, so dass eine resiliente und extrem flexible Produktion denkbar wird.Um die Ideen praxisnah zu testen, wird in Kaiserslautern ein Modell-LKW auf mehreren Produktionsinseln und mit externen Zulieferern gefertigt (Stand 10-2023).
Die Produktionsinseln

Was ist eine Produktionsinsel?

Wir verstehen darunter eine modular aufgebaute Produktionseinheit, die bei uns aus (automatisierten) Modulen und Handarbeitsplätzen besteht.

_JAVA ist der erste Production Level 4-Demonstrator der Welt. Er wurde 2020 vorgestellt und produzierte einen konfigurierbaren USB-Stick in Noppensteinform, der mit individuellen Daten betankt werden kann. _JAVA steht im SF-Lab.
Aktuell wird _JAVA erweitert und kann vermutlich ab 2024 zusätzlich Teile unseres Beispielproduktes, ein Modell-LKW, produzieren. Die um das kreisförmige Transportsystem angeordneten Module bekommen dafür zusätzliche Funktionen, d.h. wir nutzen dann die vorhandene Services (Fähigkeiten) für mehrere Produkte.

Damit kann _JAVA zukünftig Material für zwei Produkte lagern, diese montieren und ihre Qualität überprüfen. Dabei wird die Flexibilität der Module über die Services im Fokus stehen, denn diese werden dann synergetisch genutzt.

_KUBA steht im DFKI-Lab. Um das flexible Transportsystem AcoposTRAC sind verschiedene Module angeordnet. Über eine Dockingstation werden Sattelschlepper und Anhängeraufbau des Modell-LKW eingeschleust. Auf einem Handarbeitsplatz werden Anhänger und Fahrwerk zum Anhänger verheiratet. Ein Roboterarm übernimmt dort die Ein- und Ausschleusung. Ein weiterer Roboterarm entnimmt Sattelschlepper und Anhänger, montiert sie zum fertigen LKW und schleust sie aus. Kommuniziert wird über den Datenraum Gaia-X und 5G.

Technisches Wissen

Das Transportsystem AcoposTRAK wurde für Massenproduktion und die Produktion von Losgrößen 1 entwickelt. Der AcoposTRAK wird elektrisch gesteuert, wobei Produktionsströme an Weichenübergängen bei voller Geschwindigkeit getrennt werden und Produkte prozessgesteuert in Echtzeit verändert werden können. Das System ist modular aufgebaut, wobei einzelne Segmente zu einem flexiblen Design umgesetzt werden können. Produkte können mit einer Geschwindigkeit von 4 m/s fahren und Beschleunigung von mehr als 5g transportiert werden.
Analog zur Hardware ist auch die Software des Transportsystems modular aufgebaut. Die unterschiedlichen Shuttles lösen auf dem Assembly abhängig von ihrer Position Events aus, wodurch das Bewegungsmuster dynamisch verändert und ein reibungsloser Produktionsfluss gewährleistet wird. Shuttles können einfach eingesetzt oder entfernt werden, ohne die aktuelle Produktion nachhaltig zu stören. Entsprechend dem fähigkeitsbasierten Ansatz (skillbasierter Ansatz) stellt der AcoposTRAK Skills bereit, die die Aufgabe des Transports kapseln. Das System ist von außen über eine standardisierte OPC UA Schnittstelle erreichbar. Im Falle einer Anfrage des Transportsskills, entscheidet der AcoposTRAK selbständig, welches Shuttle auf dem Assembly am besten für eine Aufgabe geeignet ist und organisiert den Transport.
Die Qualitätskontrolle der SmartFactoryKL bietet verschiedene Services, welche direkt auf der Edge oder über Netzwerkdienste angesprochen werden. Auf der Edge Cloud kann ein auf Basis von Federated AI entwickelter Service genutzt werden, um über Unternehmensgrenzen hinweg zusammenarbeiten zu können, ohne die konkreten Daten zu teilen. Das funktioniert im Prinzip so: Federated Learning nutzt nur Modellparameter und keine Produktionsdaten. Alle Teilnehmenden stellen Modellparameter zur Verfügung. Daraus wird ein Durchschnitt für den Lernprozess ermittelt, das Ergebnis steht wiederum allen Teilnehmern zur Verfügung, ohne, dass Wissen übertragen wurde.
Neben lokalen Services können auch Qualitäts-Services von externen Anbietern genutzt werden. Dabei wird die Kommunikation über EDC-Konnektoren (Eclipse Dataspace Connector) abgewickelt und ist somit auch für die Verwendung in Gaia-X und dessen Datenräumen geeignet. Der Datenaustausch zwischen zwei Parteien erfolgt dabei stets ohne Intermediär, sondern direkt über die jeweiligen EDC-Konnektoren der Parteien. Die Parteien entscheiden dabei selbst darüber, wer in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen Zugriff auf die eigenen Daten erhält. Das garantiert ein hohes Maß an Datensouveränität.
Durch die Integration unterschiedlicher Services kann im Falle unzureichender Ergebnisse ein anderes Ergebnis eingeholt werden oder im Falle der Nichterreichbarkeit eines Services ein alternatives AI-Modell genutzt werden.

_MILOS steht im WSKL-Lab an der RPTU-Kaiserslautern und spielt im PL4-Ökosystem die Rolle eines externen Unternehmens, das über einen Datenraum einen Auftrag annimmt. Datenräume spielen in unserer Vision PL4 eine zentrale Rolle, da über sie Services (Fertigkeiten von Maschinen oder Software) angeboten und gemietet werden können. _MILOS ist die erste praktische Anwendung einer skillbasierten Produktion in Kaiserslautern.

Technisches Wissen

Skillbasierte Fertigung direkt aus einem CAD-System heraus (ohne CAM)
Auf _MILOS ist es durch seine skillbasierte Fertigungslandschaft möglich, im CAD konstruierte Bauteile ohne jegliche Erstellung von Fertigungsprogrammen (wie CAM, werkstattorientierte Programmierung, G-Code-Programmierung) ein Bauteil zu fräsen. Die Skills der Roboterzelle, die als Fräsmaschine genutzt wird, kapseln sämtliche notwendigen Entscheidungen bzgl. Werkzeugweg, Anfahrstrategie, Werkzeugwahl, Bearbeitungsparameter etc. Durch die Intelligenz der Maschine und die Kapselung der Skills ist es möglich, lediglich durch die Vorgabe der geometrischen und werkstofftechnischen Eigenschaften des Produkts den Fräsprozess auszuführen.
Im CAD-Programm ist ein eigenentwickeltes Plug-In installiert, mit dessen Hilfe die Features und Eigenschaften des Produkts extrahiert werden können. Über das Plug-In werden zunächst die einzelnen Maschinen im Maschinenpark angefragt, ob diese ein Produkt mit den vorhandenen Eigenschaften fertigen können. Die Maschinen prüfen ihrerseits die Anfrage und melden die Ergebnisse an das CAD-Plug-In zurück. Sollte das Produkt auf mindestens einer der Maschinen gemäß den Anforderungen fertigbar sein, kann der Bedienende die entsprechende Maschine auswählen und den Auftrag starten.

Auftragsfertigung via Eclipse Dataspace Connector (EDC)
Die Produktionsinsel_MILOS ist über einen EDC mit der Produktionsinsel_KUBA vernetzt, und bietet ihre Services im Gaia-X-Netzwerk an. Kommt eine Bestellung bei _KUBA an, wird überprüft, ob alle benötigten Ressourcen zur Verfügung stehen, oder ob dafür externe Ressourcen benötigt werden. In unserem Fall kann ein zu fräsender LKW-Auflieger auf die Ressourcen der Produktionsinsel_MILOS zurückgreifen. Entscheidet sich ein Mitarbeitender für die Produktion, wird der Auftrag automatisch interpretiert und ein Produktionsplan für eine skillbasierte Fertigung erstellt. Die Produktion starte nach einem Mausklick und läuft vollkommen autonom ab.

Die Produktionsinsel_CAPRI wird aus einer Erweiterung des Industrie 4.0-Demonstrators PAUL entwickelt, der aktuell zur Veranschaulichung von Digitalisierungsprinzipien bei KMU dient. Sie wird eine manuelle Komponente (Handarbeitsplatz) enthalten, außerdem wird das Modul PRINT4PAUL (P4P) Teil von ihr werden.
_Capri besteht zusätzlich aus der Qualitätssicherung4PAUL (QS4P) und der Shared Economy4PAUL (SE4P), die beide Teil der Shared Production Kaiserslautern und somit in die Produktion des Beispielproduktes Modell-LKW eingebunden sind.
QS4P dient der Qualitätssicherung der gedruckten Führerhäuser mittels KI gestützter Fehlererkennung.
An SE4P montiert ein/e Werker:in Führerhäuser und wird dabei von einer Werkerassistenz geleitet. Hier wird aktuell noch eine Werkerassistenz mittels AR-Brille umgesetzt.

Technisches Wissen

Beschreibung additiver Fertigung eines LKW-Führerhauses mittels FFF-Verfahren
Das Modul PRINT4PAUL (P4P) bietet dem Nutzer eine Produktionsstätte für additive Fertigung und stellt im Produktkomplex des Modell-LKW das Führerhaus und ein Windshield her. Der 3D-Druckerpark bietet über einen Mini-PC und Raspberry Pis, die jeweils mit Octoprint bestückt sind, eine umfassende webbasierte Steuerung an. Dabei können über unterschiedliche Endgeräte einfach und unkompliziert Druckaufträge über eine HMI (Human-Machine-Interface), bzw. den globalen Produktkonfigurator ausgelöst werden. Es werden Führerhäuser in unterschiedlichen Farben mit Featuremöglichkeiten angeboten, außerdem mehrere Windshieldtypen in jeweils zwei Farben. Dies erfolgt über ein automatisches Auftragsmanagementsystem, bei dem jeweils die gewünschten Produktfeatures mit den Druckerfähigkeiten (unterschiedlich farbiges Filament oder Bauformen) verglichen werden und der Produktauftrag dann einem der verfügbaren Drucker zugewiesen wird. Über die HMI können Nutzer über verschiedene Rollen, als Standardnutzer oder Kunde, sowie als Werker:in, zugreifen. Der/die Werker:in kann mehrere Funktionen nutzen und über die HMI Lagerbestände der Produkte einsehen, sowie das Gesamtsystem und alle Drucker überwachen. PRINT4PAUL kann für jegliche Art von additiver Fertigung verwendet werden, die den Fähigkeiten der jeweiligen Drucker entsprechen (hier zweimal Prusa MK3S+). Zukünftig sollen nicht nur mittels eines vorab hinterlegten GCodes vorausgewählte Produkte additiv gefertigt werden, sondern direkt mittels Übertragung einer STL-Datei, die automatisch in einen GCode umgewandelt wird, beliebige 3D-Modelle gedruckt werden (ähnlich einem Netzwerk-Drucker auf den alle Mitarbeiter Zugriff haben). P4P verfügt im derzeitigen Aufbau über drei 3D-Drucker.

Die Aufgabe der Produktionsinsel_SYLT ist der Zusammenbau von Teilen des LKW. _SYLT ist als flexibles Modul konzipiert, das vielfältige Möglichkeiten der Anpassung bietet.

Technisches Wissen

Das geplante Testbed (Stand: 09-2023) ist ein rekonfigurierbares Cyber-physisches Produktionsmodul (CPPM), das aus einer Reihe von austauschbaren Submodulen um ein zentrales Handhabungsmodul herum aufgebaut ist. Jedes Submodul verfügt standardmäßig über mechanische, elektrische und Software-Schnittstellen, um Plug-and-Produce-Szenarien zu gewährleisten. Das CPPM kann neu konfiguriert werden, um neue Produkttypen zu produzieren, indem neue Submodule eingeführt werden, die dem System neue Services (Fähigkeiten) hinzufügen.

Folgende Anforderungen an den Prüfstand sollen erfüllt werden:

  • Die Steuerung soll auf verschiedene Steuerungssysteme der Teilmodule verteilt werden, weil ein zentralisiertes Kontrollsystem eine schnelle Rekonfigurierbarkeit nicht ausreichend unterstützen würde;
  • die Teilmodule sollen durch ein gemeinsames Informationsmodell beschrieben werden, um Interoperabilität und Integration zu gewährleisten;
  • das System soll sich selbst konfigurieren können, um ein Plug-and-produce-Szenarien zu ermöglichen;
  • das System soll die effiziente Orchestrierung der Funktionalitäten der Teilmodule sicherstellen, um verschiedenen Montageaufgaben zu ermöglichen;
  • Werker sollen unter Berücksichtigung ihrer Rolle und Aufgaben nahtlos in das System integriert werden können.
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